Überzeugende Klanggemälde als musikalisches Reisegepäck

Böblinger Kantorei hat in der gut besuchten Stadtkirche das Programm der anstehenden Italienreise präsentiert - Auszeit von Kantor Böhm


Von BORIS BELGE
Mit freundlicher Unterstützung der KREISZEITUNG Böblinger Bote

BÖBLINGEN. Für die Böblinger Kantorei geht es im April auf Konzertreise in die Partnerstadt Alba. Das musikalische Reisegepäck führten die Sängerinnen und Sänger unter der Leitung von Professor Manfred Schreier bereits am vergangenen Sonntag in der Stadtkirche auf, um es vor heimischem Publikum auf seine Qualität zu prüfen.

Im Zentrum der geistlichen Abendmusik stand die Messe in D-Dur op.86 von Antonín Dvorák, die der böhmische Komponist 1887 für Soli, gemischten Chor und Orgel komponiert hatte. Schon im ersten Teil, dem "Kyrie", wob Schreier ein dichtes Klangnetz, ließ zurückhaltend beginnen, um den Chor dann behutsam zu den akustischen Gipfeln der Partitur zu führen. Auch die Solisten konnten sich erstmals in kurzen Einwürfen positionieren: Catherina Witting (Sopran) mit farbenreichem und dominantem Timbre, Jasmin Joos (Alt) und Martin Hermann (Bass) mit klarer, melodiebetonter Stimme. David Fischer (Tenor) formte seine Partien mit klugem Vibratoeinsatz. Im "Gloria" überzeugten Tenoristen und Bassisten im Chor, die zahlenmäßig ihren Mitsängerinnen weit unterlegen waren.

Der eindrucksvollen Bühnenpräsenz Schreiers war es zu verdanken, dass Rhythmik und Deklamation einen hohen Stellenwert erhielten. Der emeritierte Professor für Chorleitung an der Musikhochschule Trossingen warf seine ganze Erfahrung in die Waagschale und trieb die Kantorei immer wieder an. War dies beim "Gloria" noch vollends gelungen, ließ die Konzentration im "Credo" doch ein wenig nach und Intonation und Tempi gerieten zuweilen ins Wackeln. Ganz auf der Höhe zeigten sich die Sängerinnen und Sänger aber im Mittelteil, als Jesu Kreuzigung eindrucksvoll und ausdrucksstark beschrieben wurde. Die Partitur hat im "Crucifixus est" fast schon opernhafte Züge, mehrmals erklingen Dissonanzen.

Im anschließenden Bekenntnis zur Auferstehung zeigten die Soli einmal mehr ihre individuelle Klasse. Das "Sanctus" pulsierte förmlich, während das "Agnus Dei" mit einem zarten, kunstvollen Schluss aufwartete. Schreier hatte das Ensemble hier noch einmal zur Höchstform geführt und den vorherigen triumphalistischen Schlüssen einen nachdenklichen, aber prägnanten Abschluss hinzugefügt.

Den Erfolg verdankte die Kantorei auch ihrem Organisten Michael Stadtherr. Während Kantor Eckhart Böhm eine fünfmonatige Auszeit nimmt, wird Stadtherr ab April und bis August bei Organistenamt und Kantorat an der Stadtkirche die Vertretung übernehmen. Über diesen Glücksfall eines kompetenten Ersatzes kann sich die Gemeinde nur freuen, schließlich hatte Stadtherr Gelegenheit, sich solistisch vorzustellen: Bachs Orgelchoralbearbeitung "Herzlich tut mich verlangen" BWV 727 interpretierte der Organist mit aller Souveränität, ohne in allzu drückende Schwermut abzugleiten, aber mit genug Tiefe um diesem Vorausblick auf die Karwoche angemessen zu begegnen. Und die "Pièce d' Orgue" in G-Dur BWV 572 des Thomaskantors stellte ohnehin höchste Anforderungen an Virtuosität und Musikalität - eine Anforderung, der Stadtherr mehr als gerecht wurde.

Im ersten und letzten Stück des Abends, den Motteten "Jauchzet dem Herrn, alle Welt" von Felix Mendelssohn-Bartholdy und "Lobet den Herrn, alle Heiden" von Bach, schwieg die Orgel und der Kirchenraum gehörte der Kantorei. Was die Sängerinnen und Sänger hier präsentierten, begeisterte das Publikum. Die Stimmen zeichneten sich in Frage-Antwort-Spielen durch höchste Souveränität aus, verwobene Kontrapunktik beherrschte die Kantorei ebenso wie Unisono-Passagen. Das "Alleluja" aus Bachs Motette wurde zu einem großen Klanggemälde. Genau so sollten Schreier, Stadtherr und die Kantorei es für die Reise nach Alba einpacken.

Der warme und langanhaltende Applaus des Böblinger Publikums in der gut besuchten Stadtkirche war ein schöner Reisegruß.