1734 komponierte J. S. Bach das Weihnachts-Oratorium als eine Folge von 6 Kantaten, die den Weihnachtsfeiertagen 1734 und Sonntagen bis Epiphanias 1735 zugeordnet sind. Zu diesem Zeitpunkt hatte Bach neben mehreren Kantatenjahrgängen 1724 die Johannes-Passion, 1727 die Matthäus-Passion, 1731 die Markus-Passion und 1733 die Missa aus der H-Moll-Messe komponiert.

Wie die Oratorien zu Ostern und Himmelfahrt geht auch das Weihnachts-Oratorium auf überwiegend weltliche Kantaten zurück. Er parodierte seine eigenen Werke, das heißt, er unterlegte diesen Vorlagen neue Texte. Vielleicht hat Bach schon bei der Komposition der Vorlagen an eine spätere Verwendung in einem Weihnachts-Oratorium gedacht. Die Vermutung liegt vor allem bei den Geburtstagskantaten BWV 213 und 214 nahe, aus denen sämtliche Chöre und Arien ins Weihnachts-Oratorium übernommen wurden.

Die Verwandtschaft der Arie "Schlafe mein Liebster und pflege der Ruh" aus der weltlichen Geburtstagskantate für den elfjährigen sächsischen Kronprinz Friedrich mit der Arie "Schlafe, mein Liebster, genieße der Ruh" aus dem Weihnachts-Oratorium ist klar erkennbar. Eventuell hat der Librettist der weltlichen Kantaten, Christian Friedrich Henrici (Picander), auch den Text zum Weihnachts-Oratorium verfasst. Allerdings ist Picander nicht als Autor des Weihnachts-Oratoriums genannt. Sicher hat auch Bach selbst einen großen Anteil an der Entstehung des Textes gehabt. Schließlich mussten die Texte mit den metrischen Verhältnissen der Verse, der Form der Gedichte und dem Affektgehalt der Musik übereinstimmen.

Am Anfang der entsprechenden Kantaten lässt sich das gut nachvollziehen:

Statt: "Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten" aus der Geburtstagskantate, heißt es nun: "Jauchzet, frohlocket! Auf, preiset die Tage!"

Bei der Planung des Gesamtwerkes ist Bachs Eingreifen ebenfalls sehr deutlich zu sehen. Die damals übliche Perikopenordnung für die sechs Festtage war:

1. Weihnachtstag: Geburt und Verkündigung an die Hirten (Lukas2,1-14)
2. Weihnachtstag: Anbetung der Hirten (Lukas 2, 15-20)
3. Weihnachtstag: Prolog des Johannesevangeliums (Joh. 1, 1-14)
Neujahr: Beschneidung und Namensgebung (Lukas 2, 21Sonntag nach Neujahr: Flucht nach Ägypten (Matthäus 2, 13-23)
Epiphanias: Ankunft und Anbetung der Weisen (Matthäus 2, 1-12)

Um eine musikalische und inhaltliche Geschlossenheit zu bekommen, werden die Teile von Bach entgegen der üblichen Perikopenordnung zusammengesetzt:

Teil 1: Geburt Christi
Teil 2: Verkündigung der Hirten
Teil 3: Anbetung der Hirten
Teil 4: Beschneidung und Namensgebung
Teil 5: Ankunft der WeisenTeil 6: Anbetung der Weisen

Die Teile 3 und 5 werden aus dramaturgischen und chronologischen Gründen verändert.

An kompositorischen Mitteln greift Bach im Weihnachts-Oratorium auf das Formenrepertoire der Passionen zurück:

1. Secco-Rezitative (Rezitative nur mit Bass und Orgel begleitet) und Turba-Chorsätze für den biblischen Bericht, nur die Worte des Engels sind durch Streicherbegleitung hervorgehoben.

2. Die Kirchenliedtexte erscheinen meistens in der Form des schlichten, vierstimmigen Chorals. Nur die Schlusschoräle des 1. und 2. Teiles werden in konzertante Orchestersätze eingebettet. In einem Satz (Nr. 7) wird der Choral mit freier Dichtung kombiniert.

3. Freie Dichtungen werden mit Accompagnato-Rezitativen (mit Streicherbegleitung) und Arien vertont, wobei die Rezitative allesamt Neukompositionen sind.

Die Sätze 1 und 3 stehen in D-Dur mit Trompeten und Pauken in der Besetzung. Die Besetzung und die Tonart ist bei Bach immer Zeichen der festlichen Kantaten. Ebenfalls stehen die Eingangssätze im "göttlichen" Dreiertakt. Dabei nimmt der Eingangssatz mit seiner Länge und seiner dreiteiligen Gliederung die herausragende Stellung ein.

Nicht von ungefähr ist das Weihnachts-Oratorium eines der meistgespielten Oratorien. Es ist in Bachs Schaffen und in der gesamten Literatur der Oratorien ein besonderes Werk, das sich besonders für die festliche Umrahmung der Weihnachtszeit eignet.

Wichtig für Bach war aber auch die Tatsache, dass Komponieren immer auch Gottesdienst war. So schrieb Bach folgerichtig vor jedes seiner Werke JJ (Jesus Juvat) "Jesus hilft" und am Ende nach vollbrachter Arbeit SDG (Soli Deo Gloria) "Allein Gott zur Ehre". Dies soll auch das heutige Motto sein.