Aus der Böblinger Kreiszeitung vom 16.Dez.2003
Böblinger Kantorei mit Bachs Weihnachtsoratorium

Beseelter Gesang und raues Orchester

Böblingen - Das Schönste an der Vorweihnachtszeit sind nicht die geschmückten Tannenbäume und die duftenden Weihnachtsmärkte, nicht die brennenden Kerzen und der dampfende Glühwein, sondern die Aufführungen von Bachs Weihnachtsoratorium, zumal wenn es so beseelt gesungen wird wie jetzt von der Böblinger Kantorei in St. Klemens. Dieser Abend hatte große Momente. Egal wie kalt es ist, diese Musik erwärmt die Herzen. Bachs Oratorium kann man gar nicht oft genug hören. Bachs gewaltiges Kantatenwerk von 1734 beginnt mit einer unendlichen Melodie: Sie will und will nicht enden, und auch der Hörer wünscht sich kein Ende. Die Melodie leuchtet in der Finsternis. Mit solcher Jubelmusik enden die "Meistersinger". In der hellen kahlen Kirche wurden die Teile I, IV-VI des Weihnachtsoratoriums vorgetragen. Die Musik verbreitete warmen Glanz: "Dein Glanz all? Finsternis verzehrt, die trübe Nacht in Licht verkehrt." Man hat nie das Gefühl, dass diese Musik 270 Jahre alt ist.

Der Eingangschor beginnt mit einem aktuellen Appell: "Lasset das Zagen, verbannet die Klage!" Könnte das nicht auch unser Bundeskanzler sagen? Lasset das Klagen! Bach vertont das Gegenprogramm: "Jauchzet, frohlocket" sang der Chor unter der Leitung von Tilman Jäger. Das Orchester jauchzte nicht. Es klang am Anfang rau statt reich. Ein wenig mehr Überschwang hätte schon sein dürfen. Die Camerata viva Tübingen operierte mit trockenem, analytischem Klang. Strahlend tönte vor allem der Solo-Trompeter. Das Ensemble, aus Berufsmusikern bestehend, unterstützte den Chor solide, zeitweise wirkte das Musizieren etwas routiniert. Gewaltig klang dagegen der große Chor. Ihm gelang eine bewegende Deutung. Mächtig fluteten die Stimmen und überdeckten gelegentlich die Instrumente. Das riss natürlich mit. Das "Wie soll ich dich empfangen" ertönte mit milder Pracht. Der umsichtige Tilman Jäger hat aus "seiner" Kantorei einen vorzüglichen Chor geformt.

An diesem Abend wurde er durch einen anderen unterstützt: Bei Nr. 7 kam der Unterstufenchor des Albert-Einstein-Gymnasiums zum Zuge, der von Susanne Pflumm-Hruza betreut wurde: Die Kleinen sangen himmlisch schön, mit hellen Engelsstimmen: "Er ist auf Erden kommen arm." Diese Einsätze waren Höhepunkte.

Am Ende hätte man gerne noch einmal den Anfang gehört. Jetzt kann Weihnachten kommen.