Immense Kontraste von Lautstärke


Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung - 08.12.2010 - Von SZBZ-Mitarbeiter Berd Heiden
Bild: SZBZ


So schaltete Böhm Auszüge aus Felix-Mendelssohn-Bartholdys „Vom Himmel hoch“-Kantate dem Beethoven voran, ebenso wie die Es-Dur-Sinfonie des eigentlich als Literat zu Weltruhm gekommenen Ernst Theodor Amadeus, bekannt als E.T.A. Hoffmann. Während sich die Verknüpfung mit Mendelssohn inhaltlich über eine Passage aus der Weihnachtsgeschichte im Messe-Text herleitet, ist der Bezug zum komponierenden Literaten äußerlich.

 Literat als Komponist

Seine Sinfonie entstand 1806, was seine Zeitgenossenschaft verrät. Zudem zählte Hoffmann zu Beethovens Bewunderern. Und er schrieb sogar eine kleine Rezension zur C-Dur Messe, in der er seiner Überraschung Ausdruck verleiht, dass dieses Werk gar nicht an zeitgleiche Beethoven-Schöpfungen – die fünfte Sinfonie des Meisters wurde wenige Tage nach der Messe uraufgeführt – erinnert.

Anlass zur Sorge gaben die Eingangspassagen von Mendelssohns „Himmel-Hoch“-Kantate. Das zwar mit großem Bläsersatz, aber vergleichsweise wenig Streichern besetzte Orchester Concentus Böblingen machte den recht üppig besetzten Chor schlichtweg platt. Entwarnung gaben die weiteren Sätze: Dirigent Eckhart Böhm verstand sehr wohl, ein ausgewogenes Kräftegleichgewicht herzustellen.

Freilich war die Orchesterkraftprobe auch ein gutes Omen. Nach Sparstrumpf klang das Ensemble nicht, was der sehr klassischen, am ehesten mit überraschenden Einbrüchen im langsamen Satz romantisch daherkommenden Hoffmann-Sinfonie und später Beethoven sehr gut bekam. Zwei kurze, aber grobe Indisponiertheiten in den Bläsern änderten nichts an einer spannungs- und detailreich gemachten Interpretation des Werkes. Nicht zuletzt knifflige, Passagen zeigten, dass das Concentus mit Profis bestückt ist.

Beethovens C-Dur-Messe stieß beim Auftraggeber Fürst Nikolaus von Esterházy bei der Uraufführung kaum auf Gegenliebe, was sich verstehen lässt: Zwar ist Beethovens Wille, sich von überlieferten Messe-Vertonungen zu lösen, unüberhörbar. Andererseits ist ein das Alte überzeugend aufhebendes Modell nicht wahrnehmbar.

Jedenfalls meistert die Kantorei das zwischen immensen Lautstärkekontrasten changierende Stück sehr gut, das demutsgesättigt-verschüchterte, dennoch kompakte Pianissimo ist ebenso da wie sehr unverstellte Kraftentladungen. Freilich ist beim Chor der Respekt vor den paar entblößten Stellen ohne Orchester bemerkbar: Der Chor wirkt da manchmal wenig direkt, ja verzagt.

Die klassischen Kontrapunkte wie Fugen beweisen gutes technisches Niveau der Kantorei, trotz Frauenstimmenüberhang zeigt sich hier meist ordentliche, zumindest aber akzeptable Ausgewogenheit. So machen sich unterm Strich die Anforderungen der Messe nur augenblicksweise bemerkbar. Dass die Kantorei nicht nur sensibel, sondern auch sehr wuchtig wie das Orchester daherkommt, verdankt sie allerdings sicherlich nicht zuletzt der unterstützenden St. Maria-Akustik.

Die Gesangssolistenauswahl ist gut getroffen mit Sopranistin Wiebke Huhs, Altistin Annette Waizenegger und Tenor Wolfgang Frisch. Bei Bassist Matthias Müller reicht das Volumen für die teils Resolutheit fordernde Partie gerade noch, ein schier tremoloartiges Vibrato passt indes nicht zum Restquartett. Mit guter Tragweite bei lyrisch-warmem Timbre Bariton Bernhard Hartmann als Mendelssohn-Solist.