Schöpfung strotzt vor Leben
Böblingen: Eckhart Böhm dirigiert die Kantorei in St. Maria mit Joseph Haydns Oratorium


06.12.2011 - Mit freundlicher Unterstützung der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung
Bericht von Bernd Heiden


Von der grummelig-unheimlichen Ursuppe bis zu festlichen Jubelchören, konzertanten Arien und kitschig-schönen Turtelgesängen hat Haydns Schöpfung eine unerhört breite musikalische Palette zu bieten, zu der nicht zuletzt auch die überbordenden, oft frech-humorvoll eingesetzten Instrumentalfarben und eine die damaligen Grenzen der Tonsprache sprengende Harmonik zählen.

Die nun unter Böhms Leitung gebotene Schöpfungsversion streichelte mal sensibel idyllische Aspekte heraus, erfreute aber immer wieder durch rustikale, Haydns Besonderheiten pointiert zuspitzende Interpretation: Den bilderreichen, aus Schöpfungsbericht der Bibel und John Miltons „Paradise lost“ kompilierten Oratorientext entfaltet gerade das Orchester mit ausgezeichneter Plastizität. Grausig-gruslig darf das einem Walrossbass gleichende Kontrafagott wabern bei Sturmschreckensbildern, die Bassposaune schlägt ganz unverstellt zu, um das Gewicht all der Tiere fassbar zu machen, die am sechsten Tag den Boden eindrücken.

Enorme Dramatik

Dabei lässt Böhm keine Längen oder Zähigkeiten zu: Ganz Langsames, wie die Ouvertüre mit der Darstellung des dunklen Urchaos, dient dem Spannungsaufbau, der nach dem ersten, strahlend aufscheinendem Licht ruft. Die enorme Dramatik erreicht Böhm über lange Crescendi ebenso wie knüppelharte, jäh einbrechende Kontraste.

Wo immer möglich, lässt der Dirigent die rhythmische Subs-tanz von Sätzen über klare und dezidierte Artikulation herausarbeiten, die schon an historische Aufführungspraxis herankommt. Auch weil die Tempi sehr vital gewählt sind, ist das eine Schöpfung von Haydn, die tatsächlich vor Leben nur so strotzt.

Verstärkt durch Sindelfinger Sänger

Die Kantorei, verstärkt auch durch einige erfahrene „Schöpfungs“-Sänger aus Sindelfinger Chören, folgt ihrem Dirigenten ohne Klangeinbußen immer wieder ins Piano, was eine sehr gute, stets auf die gewaltigen Satzhöhepunkte ausgerichtete Dosierung ermöglicht. Der Chor kommt dabei stets ausgewogen daher, zeigt gute Ordnung und Fähigkeit zu Konturierung auch von technisch Anspruchsvollem.

Dass der Kantorei ein paar jüngere Stimmen mehr nicht schaden könnten, sieht man zwar, hören lässt sich das kaum, am ehesten noch im ersten Choreinsatz, wo der Sopran etwas schmal wirkt. Ansonsten beweist das Ensemble mit dieser Schöpfung Konzert- und Zukunftsfähigkeit.

Das Orchester Concentus Böblingen präsentierte sich insgesamt prima eingespielt, besonders erfreulich sind wohlklingende Flöten und eine Oboe mit einschmeichelndem Ton. Zu diesem Ensemblepaket gesellen sich mit Sopranistin Laura Corrales, Tenor Johannes Petz und Bariton Ulrich Wand Solisten, die so gut zusammenpassen, wie es die letzten Jahre bei Kantorei-Konzerten in Solistenzusammenstellungen eher selten zu hören war, auch wenn Tenor Petz aus diesem Trio des Stuttgarter Opernchors an Stimmpotenz doch etwas herausragt.

Zusätzlich gute Nachricht: Vor diesem Hauptkonzert war das gemeinsam mit Kindern der Böblinger Friedrich-Silcher-Grundschule gestaltete Familienkonzert mit Schöpfungsausschnitten in St. Maria bestens besucht.