Bach spaltet Mozartmesse

Böblingen: Böblinger Kantorei mit Requiem in St. Maria


SZBZ vom 14.November 2006 ( Bernd Heiden )


Mozarts Requiem mit eingebauter Bachkantate stand auf dem Konzertprogramm der Böblinger Kantorei unter Leitung von Kantor Eckhart Böhm in der katholischen Kirche St. Maria in Böblingen.

Die Aufführung markierte gleichzeitig den Abschluss zu einem ganzen Wochenende, dass sich des Themas Requiem angenommen hatte. Freilich muss man weder studierter Theologe sein noch eine der Veranstaltungen dieses Wochenendes besucht haben, um zu wissen, dass der von Mozart und seinen Ergänzern vertonte Requiem-Text - die alte katholische Totenmesse mit ihrem ganzen Höllentheater - mit protestantischem Glaubensverständnis nur höchst punktuell kompatibel ist.

Das glänzend gemachte Programmheft informierte überdies, dass 1969 auch die katholische Kirche reagiert hatte und ihre Totenmessenversion modernisierte durch Streichung der entsprechenden Passagen. Sinnig erscheint so, das Requiem abzufedern, indem wie im jetzigen Konzert eine Bachkantate als quasi theologische Gegenposition mitaufgeführt wird, die nicht Höllenangst, sondern christliche Zuversichtsperspektive angesichts des Todes herausarbeitet. Ob Bachs "Christ lag in Todesbanden" nun am Stück in die Mitte von Mozarts Requiem gestellt werden muss, dahinter darf man ein dickes Fragezeichen setzen.

Allerdings hinterließ Mozart, vom Tod ereilt, sein Requiem ohnehin nur als Fragment. Zum Anderen war das Originalwerk, anders als heutige Konzertpraxis suggeriert, in einen liturgischen Gesamtrahmen eingefügt, der zu längeren musikalischen Zäsuren führte. So lässt sich die Spaltung und Fragmentierung von Mozarts Requiemganzen durch Implementierung einer Bachkantate durchaus nachvollziehen. Die psychologische und theologische Rechtfertigung dieser Kantatenpositionierung, wie im Programmheft, überzeugt dagegen keinesfalls: Wer geht schon wegen Theologie und Psychologie ins Konzert? Dafür gibt es den Gottesdienst, die Therapeutenpraxis und Bücher. Ins Konzert dagegen geht Mann und Frau wegen Musik.

Die freilich überzeugte meistenteils sehr. So facettenreich wie das Requiem, so variabel präsentierte sich der Chor. Behutsam, dennoch mit tragendem Klang im Zarten, zupackend im Forte und bei Bedarf auch so Furcht einflößend, wie es Höllenspektakel nun einmal verlangen. Geschlossenheit behielt der Chor auch in Lautstärketerrassen wie in Crescendi, um die Höhe der Soprane machte man sich nur für Wimpernschläge Sorgen.

Kleine Filetstückchen

Ein merkliches Manko ist allerdings der etwas zu dünne Männerstimmenanteil. Das führte nicht nur im Tutti zu leichtem Frauenübergewicht im Klangbild, sondern auch zu Durchhörbeschwerden im Kontrapunktischen, obwohl selbst im Komplexen an der Herausarbeitung der kleinen Filetstückchen gearbeitet worden war, wie sich auch aus dem Dirigat Böhms entnehmen ließ. Grundsätzlich herrschte bei Bach höhere Durchsichtigkeit. Allerdings kennt man bei diesem Stil entschiedenere Silbengewichtung, auch wirkte manches Register mitunter etwas verdruckster als bei Mozart.

Das Concentus Böblingen als Orchester mit professionellen Kräften präsentierte sich technisch fast ausnahmslos souverän, artikuliert und auch rhythmisch pointiert. Dirigent Eckhart Böhm gelang grosso modo, eine gute Balance zwischen Chor und Orchester herzustellen bei kleiner Tendenz zur Orchesterdominanz.

Unter den Solisten waren die tieferen Stimmen (Alt Xenia Maria Mann, Bass Hans-Friedrich Kurz) die unauffälligeren im Guten wie im Schlechten. Sopran (Susanne Moldenhauer) und vor allem Tenor (Michael Gann) kommen weit besser durch und mit allen Tieflagen zurecht, wenn Intonationszweifel auftraten, dann stifteten allerdings auch sie dazu den Anlass.